Womit sollen Prägestätten künftig ihr Geld machen?
Die Schließung der Prägestätten in Schweden und Belgien wird als Vorbote der Abschaffung des Bargeldes verstanden. Ein genauerer Blick macht allerdings klar: Die Münzfabriken sind (noch) kein Auslaufmodell.
Der 24. März 2023 könnte ein besonderer Tag in der Geschichte des Geldes werden. An diesem Tag, so haben Wirtschaftswissenschaftler im Auftrag des schwedischen Handelsrates errechnet, könnte die schwedische Krone endgültig zu Grabe getragen werden – zumindest in Form von Münzen und Banknoten. Spätestens zu diesem Stichtag soll es dem Bericht zufolge für Händler in Schweden unrentabel werden, Bargeldzahlungen entgegen zu nehmen. Der Tod der Krona kommt also schneller als gedacht. Bisher war die schwedische Reichsbank noch davon ausgegangen, dass spätestens 2030 Schluss ist mit dem Geklimper und Geraschel in schwedischen Geldbörsen.
Digitale Krone als sichere Alternative
Zwar handelt es sich bei dem 24. März 2023 lediglich um ein fiktives Datum, das aufgrund hypothetischer Annahmen festgelegt wurde – und womöglich spielte dabei auch der Wunsch nach einer möglichst breiten Öffentlichkeitswirkung eine Rolle – doch die Schritte in Richtung einer bargeldlosen schwedischen Gesellschaft sind kaum zu übersehen. Sogar auf Flohmärkten und in der Kirche werden Kleinstbeträge mit Kreditkarte oder Smartphone-Apps bezahlt. Zudem weigern sich immer mehr Einrichtungen, Bargeld überhaupt anzunehmen. Um den privaten Bezahldiensten entgegen treten zu können, arbeitet die Reichsbank bereits seit 2016 am Pilotprojekt E-Krone – zinslos und wertbasiert. Damit soll zugleich eine staatliche Digital-Alternative zum Bargeld geschaffen werden.
Münztradition endete bereits 2011
Das wohl deutlichste Zeichen für den schleichenden Abschied von der schwedischen Krona als Münzgeld liegt bereits einige Jahre zurück: Im Jahr 2002 kam es zum Verkauf der schwedischen Prägestätte („Myntverket“) an die Mitbewerber aus Finnland. Im Jahr 2008 wurde die Produktion der schwedischen Münzen dann von der „Rahapaja Oy“ aus Finnland übernommen. Dieses Verfahren gilt bis heute. Im Jahr 2011 wurden die Myntverket-Tore schließlich für immer geschlossen.

Die Königliche Münzprägestätte Stockholm 2009
Prägestätten kämpfen ums Überleben
Das Schicksal der schwedischen Münzfabrik, die über mehrere Jahrhunderte hinweg die Währung ihres eigenen Landes herstellte, ist allerdings kein Einzelfall in Europa. Im Jahr 2017 schreckte die königlich-privilegierte Prägestätte Belgiens mit der Nachricht auf, wonach schon 2018 die letzte Münze in Brüssel geprägt werden sollte. Betroffen von der Schließung war unter anderem der renommierte Graveur Luc Luycx, der seinerzeit die Bildseite der Euromünzen geschaffen hatte. Weil die Prägestätte defizitär war, hatte die Regierung des Königreichs bereits seit 2010 entsprechende Pläne verfolgt. Inzwischen werden die belgischen Umlaufmünzen bei den Nachbarn in den Niederlanden hergestellt. Eine Entscheidung, die nicht wirklich überraschend kam, gehört doch die Prägestätte in Utrecht der belgischen Heylen-Unternehmensgruppe.
Deutschlands Prägestätten vorerst sicher
Mit den prominenten Beispielen aus Schweden und Belgien haben kritischen Zeitgenossen, die ohnehin eine Bargeld-Abschaffung befürchten, reichlich Gesprächsstoff. Allerdings halten sich die übrigen Münzfabriken in Europa bislang recht stabil am Markt. Zwar kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob Deutschland tatsächlich fünf Prägestätten benötigt, doch dass einer der Prägebuchstaben A, D, F, G oder J aus dem Kanon der Münzzeichen gestrichen wird, ist eher unwahrscheinlich. Stattdessen treten die Prägestätten der einzelnen Staaten noch stärker in Konkurrenz zueinander. Auch in Deutschland buhlen die fünf Fabriken in Berlin, München, Stuttgart, Karlsruhe und Hamburg um private Prägeaufträge.
Großbritannien glänzt mit Einfallsreichtum
Dass Prägestätten trotz der Abschaffung kleiner Umlaufmünzen eine Zukunft haben können, zeigen diverse Anbieter in Europa. Man denke nur an die Royal Mint aus Großbritannien, die seit Jahrzehnten dutzende Staaten aus aller Welt zu ihren Kunden zählt und Münzen mit exotischen Motiven und Nennwerten am laufenden Band produziert. Selbstbewusst gilt hier auch der Slogan Established for tomorrow. Und die traditionsreiche Prägestätte hat vor wenigen Jahren eine weitere Innovation vorgestellt, die deutlich macht, dass man im kleinen Örtchen Llantrisant in Wales nicht an ein baldiges Ende der Münzproduktion denkt: Mit der Royal Mint Experience wurde eine Erlebnisausstellung samt Prägestätten-Besichtigung geschaffen, die sich zu einem Publikumsmagneten entwickelt hat. Mit diesem Schritt, der eine logistische Meisterleistung und zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich machte, möchten die Briten ihren Bürgern und Gästen aus aller Welt einen Einblick in die hochspezialisierte Herstellung von Bargeld geben und für Transparenz sorgen.
Kein flächendeckendes Prägestätten-Sterben
Von einem flächendeckenden Sterben der Prägestätten kann also keine Rede sein. Zumal es bei den Beispielen aus Schweden und Belgien durchaus ökonomisch nachvollziehbare Erklärungen gibt. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Münzprägung ist kein neues Phänomen. So zeichnet die Suomen Rahapaja aus Finnland beispielsweise für die Prägung von Euromünzen aus Estland, Griechenland, Luxemburg, Slowenien, Zypern und Irland verantwortlich. Und einige Länder in Europa kommen seit Jahrzehnten komplett ohne nationale Münzfabrik aus. So hat das kleine Island, dem wir erst kürzlich einen Besuch abgestattet haben, beispielsweise seine Umlaufmünzen bei der britischen Royal Mint sowie der Royal Canadian Mint in Kanada herstellen lassen.
Private Konkurrenz und neue Geschäftsfelder
Die verbliebenen Münzfabriken müssen sich allerdings verstärkt der Frage stellen, womit sie künftig ihr Geld verdienen wollen, wenn immer mehr Länder auf Münzen verzichten. Darüber hinaus schläft die Konkurrenz nicht. Private Prägestätten wie die „Pobjoy Mint“ aus Großbritannien oder die „Germania Mint“ aus Polen erobern sich erfolgreich einen Markt. Neue Geschäftsfelder müssen erschlossen werden. Wie das aussehen könnte, machen die Kollegen der Banknotenfabriken vor. So erfreut sich beispielsweise die französische Wertpapierdruckerei Oberthur seit einigen Jahren eines zunehmenden Auftragsvolumens für die europaweit beliebten „Null-Euro“-Souvenirbanknoten. Vielleicht schauen sich die Münzprägestätten dieses Geschäftsmodell ja ab und prägen demnächst eine Null-Euro-Münze?
Bildquelle: Kungliga Myntet i Stockholm, Kungsholmen – Wikimedia Commons, Holger.Ellgaard (CC BY-SA 3.0)
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