Zu Besuch im wohl kleinsten Münzen-Museum der Welt
Björk, der „Golden Circle“, spektakuläre Vulkane – Island ist aus vielen Gründen bekannt. Aber wegen seiner Münzen? Unser Redakteur Sebastian Wieschowski, der die isländischen Münzen in unserer WM-Reihe schon mal kurz unter der Lupe hatte, hat in der Hauptstadt Reykjavik genau hingesehen.
Der bullige Sicherheitsbeamte mustert mich kritisch. Ich stehe mit Rucksack und Wanderstiefeln im Eingangsbereich der isländischen Notenbank. „What do you want here?“, fragt er mich in knappen Worten. Ich sage, dass ich von einem numismatischen Museum gehört habe, das sich in den Räumlichkeiten der Bank befinden solle. „Oh“, entfährt es ihm, „over there“ sagt er knapp und zeigt in das Foyer. Ich bewege mich zielstrebig auf den Aufzug zu und nehme im Augenwinkel ein paar Schaukästen war. „Over theeeere“ schallt es aus dem Glaskasten erneut, der Sicherheitsbeamte grinst dabei. Denn bei den Schaukästen handelt es sich um das „Numismatic Museum“. Offenbar befinde ich mich im kleinsten numismatischen Museum der Welt.

Gipsmodell sowie Prägestempel der 100-Kronen-Umlaufmünze.
Kaum Gedenkmünzen
Island hat sich in den vergangenen Jahren vom touristischen Geheimtipp zur Mainstream-Location für alternative Urlaubsabenteuer entwickelt. In numismatischer Hinsicht ist der Inselstaat im Atlantik allerdings bis heute ein weißer Fleck: Sage und schreibe elf Gedenkmünzen hat die Sedlabanki Islands zwischen 1968 und heute ausgegeben. Davor wurden zu Gedenkzwecken lediglich drei Medaillen von der Nationalbank veröffentlicht. Die aktuellste Gedenkprägung datiert aus dem Jahr 2000, davor überraschte Island die Münzenwelt zuletzt 1994 und 1986 mit Sonderprägungen.
Bargeldlos in Island
Die skandinavische Zurückhaltung, die in der Prägepolitik des Landes deutlich wird, spiegelt sich auch im Alltag wider: Sogar Kleinstbeträge, beispielsweise auf der Toilette oder auf dem einzigen Flohmarkt „Kolaportid“, werden per Kreditkarte bezahlt. Zwar verfügen die Isländer über eine eigene Währung, doch im Zahlungsverkehr sieht man die Isländische Krone mit ihren prächtigen Münzen und Banknoten so gut wie nie. Es sei denn, man besteht darauf, sein umgewechseltes Geld an der Supermarktkasse auszugeben und sich damit sicher als Tourist zu outen.

Werkzeuge zur Herstellung einer historischen Banknote aus Island.
Numismatische Raritäten
Wer sich trotz des überschaubaren Prägeprogramms für isländische Gedenkmünzen entscheidet, kann sich allerdings sicher sein, numismatische Raritäten zu sammeln: Die Münzen wurden üblicherweise in geringer fünfstelliger Auflage geprägt, meist von der Royal Mint in London. Besonders begehrt ist die erste offizielle Gedenkmünze mit Nennwert, die im Jahr 1961 in Gold geprägt wurde und dem Politiker und Unabhängigkeitskämpfer Jon Sigurdsson gewidmet ist. Mit einer Auflage von nur 10.000 Stück zählt das Goldstück zu den seltenen Münzraritäten des 21. Jahrhunderts. Im frühen Herbst 2019 liegt der Sammlerwert bei 400 bis 500 Euro.
Seltene Silbermünzen
Nach diesem numismatischen Auftakt ließen sich die Verantwortlichen in Reykjavik ganze 13 Jahre Zeit für die nächsten Emissionen. 1974 kamen dann anlässlich des 1100. Jahrestages der Besiedlung der Insel gleich drei Gedenkmünzen – zwei in Silber und eine in Gold – auf den Markt:
- 10.000 Kronen Gold
- 500 Kronen Silber
1986 würdigte eine Gedenkmünze den 100. Geburtstag isländischer Banknoten:

500-Kronen-Gedenkmünze zu Ehren des 100. Jahrestags der Herstellung isländischer Banknoten im Jahr 1986
1994 wurden schließlich drei Präsidenten auf Silbermünzen verewigt. Sechs Jahre später folgten eine Goldmünze zum Christentum in Island sowie eine Silbermünze zur Entdeckung Nordamerikas durch den Isländer Leif Eriksson – zu diesem Thema emittierten übrigens auch die Vereinigten Staaten von Amerika eine Gedenkmünze. Doch nach dieser besonderen Doppelausgabe war vorerst Schluss mit der isländischen Gedenkmünzenprägung.
Klein, aber fein
Wie so vieles auf Island, hat auch das „Numismatic Museum“, das die isländische Notenbank in ihrem Eingangsbereich eingerichtet hat, das Prädikat „klein, aber fein“ verdient. In mehreren Vitrinen werden alle Banknoten der vergangenen 100 Jahre gezeigt, dazu sämtliche Gedenkmünzen sowie die unterschiedlichen Schritte des Prägeprozesses mit authentischen Werkzeugen. Besonders sehenswert: Die Druckplatte einer historischen Banknote – samt Präsidentenkopf zum Austauschen. Und leicht zu übersehen: Die Goldmedaille, die der isländische Schriftsteller Halldor Laxness anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises 1955 erhielt.

Nobelpreis-Medaille für den isländischen Schriftsteller Halldor Laxness
Kursmünzensätze aus dem Keller
Als ich meinen Streifzug durch das wohl kleinste numismatische Museum der Welt beenden möchte, komme ich wieder am freundlichen Wachmann vorbei. Er lächelt mich aus seinem Glaskasten heraus an, doch als ich vor der Sicherheitsschleuse stehe, öffnet die Glastür nicht. Vorher soll ich mich im Gästebuch der Notenbank verewigen, das im Eingangsbereich ausliegt. Ich nutze die Gelegenheit, um zwei Exemplare des einzigen Kursmünzensatzes zu kaufen, den die Sedlabanki Islands im Jahr 2000 ausgegeben hat. Sozusagen ein numismatisches Souvenir für meinen Vater und mich. „Two?“, fragt der Wachmann ungläubig. Da müsse er erst einen Kollegen holen. Und der müsse die Kursmünzensätze aus dem Keller holen. So häufig, verrät er, komme es nicht vor, dass jemand einen Kursmünzensatz aus Island kaufen wolle. Als ich nachfrage, ob die Auflage von 10.000 Stück mehr oder weniger ausverkauft sei, antwortet er lächelnd: „Wir haben sicher noch für ein paar Jahre genug Exemplare.“
Numismatische Souvenirs aus Island
Wer seinen nächsten Island-Urlaub mit der Sammelleidenschaft verbinden will, sollte der Nationalbank auf jeden Fall einen Besuch abstatten. Verzichtbar ist dagegen die Flohmarkthalle „Kolaportid“. Zwar gibt es hier ein bis zwei Stände mit Sammlermünzen, allerdings zu Preisen, die deutlich oberhalb des deutschen und amerikanischen Niveaus liegen. Ein numismatisches Souvenir sind zweifelsohne besagter offizieller Kursmünzensatz (zu bekommen für 1250 Kronen, also etwa neun Euro) oder ein Plastikfolder mit Umlaufmünzen aus vergangenen Jahrzehnten, der in jedem gut sortieren Touristen-Kramladen zu bekommen ist.
Fotos/Grafik: Sebastian Wieschowski
Tags: Island Kronen Museum Sedlabanki Islands