Das numismatische Manifest: Münzen-Wünsche vom Coinosseur Sebastian
Der Jahreswechsel ist nicht nur eine willkommene Gelegenheit, die Schokoladenbestände unterm Weihnachtsbaum restlos zu beseitigen, sondern auch für gute Vorsätze: Mehr Sport machen, den Partner fürs Leben finden oder auf eine lang ersehnte Münze sparen. Coinosseur Sebastian blickt im Video auf ein paar Zeilen des 2020er Ausgabeprogramms und stellt in diesem Kommentar seine fünf numismatischen Wünsche für das Münzensammeln im Jahr 2020 vor, die (noch) nicht berücksichtigt wurden.
1. Runter mit den Auflagen
Münzen können auch heute noch Jung und Alt hinterm Ofen hervorlocken. Dies wird immer wieder deutlich, wenn in Deutschland eine 5-Euro-Polymer-Gedenkmünze bei den Niederlassungen der Bundesbank in den Verkauf gelangen. Oder wenn am Wiener Heumarkt ein neues Produkt der Münze Österreich Ausgabetag hat. Allerdings gibt es einen Unterschied: Während diejenigen, die morgens im Herzen der österreichischen Hauptstadt in der Schlange stehen, für ihr Warten später meistens mit einem kräftigen Wertzuwachs belohnt werden, macht es im Hinblick auf die Wertsteigerung hierzulande inzwischen weniger Sinn, bei Wind und Wetter vor der Bundesbank für eine Polymer-Münze auszuharren.
Wertsteigerungsaspekte
Der Grund: Die Auflagen der deutschen Gedenkmünzen sind aus meiner Sicht viel zu hoch angesetzt. Keine Frage: Münzensammeln, das macht man nicht in erster Linie wegen der Wertsteigerung. Es wäre jedoch realitätsfern, den Rendite-Aspekt beim Münzensammeln völlig außer Acht zu lassen. Und eine Münze mit einer Auflage von 3 Millionen Stück (die 5-Euro-Münzen „Klimazonen der Erde“) oder 1,5 Millionen Stück (die 10-Euro-Münze „In der Luft“) birgt nun mal nicht das beste Wertsteigerungspotenzial. Dies gilt leider auch für die Gold- und Silber-Gedenkmünzen aus Deutschland. Oft waren die Neuausgaben nach kurzer Zeit im Internet deutlich günstiger zu bekommen, als bei der Erstausgabe durch die offizielle Verkaufsstelle. Wenn Sammler für ihre Treue regelrecht bestraft werden, läuft etwas gewaltig falsch. Aus diesem Grund halte ich es dringend für nötig, dass die Auflagen der deutschen Gedenkmünzen massiv zusammengestrichen werden.
2. Polymer ins Portemonnaie
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit den Polymer-Gedenkmünzen eine numismatische Innovation vorgestellt, die weit mehr ist, als ein nur ein Special Effect für Sammler. Durch den Plastikring, der die metallenen Bestandteile der Münze voneinander trennt, wird eine neue Stufe der Fälschungssicherheit erreicht. Automatenbetreiber lieben die 5-Euro-Münzen, weil sie von der hochspezialisierten Technik leicht erkannt werden können. Doch welcher Automat schluckt heutzutage die Fünfer? Und haben Sie jemals eine Polymer-Münze als Wechselgeld an der Kasse bekommen? Bisher sind die Prägungen ja doch eher fürs Münzensammeln konzipiert.
So könnte eine Etablierung als Umlaufmünzen klappen
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung nicht verstärkt dafür sorgt, dass 5-Euro-Münzen im Zahlungsverkehr ankommen, Umlaufgeld-Charakter bekommen. Möglicherweise ist dies nur durch einen großen Wurf erreichbar: Wie wäre es, wenn die Europäische Zentralbank den 5-Euro-Schein abschafft und stattdessen eine 5-Euro-Münze ausgibt, die in der gesamten Währungsunion gültig ist? Immerhin werden vor allem die kleinen Nominale der Euro-Banknoten gefälscht. Mit einer Münze, die einen hohen Nennwert und eine hohe Fälschungssicherheit aufweist, könnte verlorengegangenes Vertrauen in das Bargeld zurückgewonnen werden.

10-Euro-Münze „In der Luft“, Künstlerin der Bildseite: Natalie Tekampe
3. Mut beim Münzenmachen
Vögel, Bäume, Blätter, Musikinstrumente – was die Bundesrepublik Deutschland seit Jahren im Bereich der Gedenkmünzen abliefert, ist aus meiner persönlichen Sicht, höflich gesagt, schön und gut, aber sicher nicht innovativ. Die meisten Themen und Motive erinnern an alte deutsche Hausmannskost, die man bereits in den sechziger Jahren auf deutschen Gedenkmünzen erwartet hätte oder gar gesehen hat. Die deutschen Münzprägestätten müssen sich aus meiner Sicht nicht an jedem Hype beteiligen und alle erdenklichen Comic-Figuren oder Spezialeffekte auf eine Münze bringen, doch etwas mehr Mut beim Münzenmachen täte den Verantwortlichen im Bundesverwaltungsamt durchaus gut. An anderer Stelle sind sie ja erst kürzlich einen mutigen Schritt Richtung Zukunft gegangen.
Viele europäische Länder haben in den vergangenen Jahren vorgemacht, wie zeitgemäße Münzprägung aussieht: Ich denke nur an die Münzen aus Frankreich und Österreich, die nach der Vorlage einer Kinderzeichnung gestaltet wurden. Fasziniert hat mich auch die Idee der Royal Mint aus Großbritannien, auf jede einzelne Umlaufmünze nur einen Teil des Staatswappens zu platzieren. Wenn man alle Münzen in einer bestimmten Weise anordnet, entsteht das vollständige Wappen. Münzen müssen nicht langweilig sein. Dabei ist durchaus auch mehr Demokratie angebracht. Denkbar wäre es beispielsweise, dass nicht ein Preisgericht über das Motiv für eine Münze entscheidet, sondern die Sammlergemeinde. Falls nun jemand im Finanzministerium laut „Geht nicht“ ruft, entgegne ich: „Geht ja wohl!“

Tierköpfe schauen uns von 6-mm-Relief entgegen (Bild: Royal Canadian Mint)
4. Münzensammeln ist Teamsport – online und offline
Am meisten ärgert mich bei der öffentlichen Wahrnehmung der Numismatik das Klischee vom alten und einsamen Mann, der sich im Keller hinter seiner Münzensammlung versteckt. Das Münzensammeln ist für mich und viele andere Numismatiker jeden Alters eine willkommene Gelegenheit, mich mit Geschichte und Geographie auseinanderzusetzen, mit Kunst und Kultur und anderen Dingen, die das Leben spannend und schön machen. Besonders großen Spaß macht dies natürlich in Gemeinschaft. Wenn die vielen traditionsreichen Sammlervereine einen Mitgliederschwund beklagen, wäre ein Blick in die neuen Medien durchaus angebracht. Hier tummeln sich zehntausende Sammler und tauschen sich rege aus. Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht nur Vereine, sondern auch Verlage, Messeveranstalter und Münzenhändler neue Plattformen der Interaktion schaffen müssen. Ich denke beispielsweise an die World Money Fair. Sie ist einmal pro Jahr der Treffpunkt schlechthin in der Münzwelt. Aber über elf Monate des Jahres verschwindet diese starke und anerkannte Marke jedoch im Nirgendwo. Aus meiner Sicht besteht die ernste Gefahr, dass ein Großteil der professionellen Numismatik den Medienwandel schlicht verschläft und den Anschluss an neue Communities, die sich längst gebildet haben, verpasst.

100-Euro-Goldmünzen: Neue Serie „Säulen der Demokratie“| MDM-Blog
5. Bullion für die Bundesrepublik
Kanada, China und Australien haben eine, Österreich und Großbritannien auch und zwischenzeitlich sogar Tschechien: Wer in der Numismatik etwas auf sich hält, spielt auch in der Welt der Edelmetall-Anlagemünzen mit. Inzwischen gehört es für die großen Prägestätten zum guten Ton, (mindestens) eine Bullionmünze für Anleger zu prägen. Dieses Produktsegment ist nicht nur eine gute Möglichkeit, den Jahresumsatz in ganz neue Dimensionen zu katapultieren (man denke an die Münze Österreich, die erst mit dem Wiener Philharmoniker die Milliarden-Grenze knacken konnte), sondern um neue Sammler und Anleger an Münzen heranzuführen.
Bullion is the gateway drug to numismatics.
Wann immer sich Münzenhändler, Vereine und Verlage mal wieder darüber Gedanken machen, wie sie die nächste Generation der Numismatik erreichen können, denke ich an einen Satz: „Bullion is the gateway drug to numismatics“, pflegt mein Freund Jeff Starck von der US-Münzzeitschrift Coin World zu sagen. Und er hat Recht: Mit Münzen aus Gold und Silber, die nah am aktuellen Metallpreis gehandelt werden, können Einsteiger nichts falsch machen. Sie verbinden das Nützliche (die Vermögenssicherung) mit dem Schönen (dem Aufbau einer prächtigen Sammlung). So kam schon mancher Anleger zum Münzensammeln.
Ganz nebenbei sind Edelmetall-Anlagemünzen auch vorzügliche Werbeflächen für die Ausgabeländer, ihre Nationalsymbole sowie faszinierende Details aus Flora und Fauna oder Geschichte und Geographie in die Welt hinaus zu posaunen. Ob hierzulande so viele Menschen mit dem Namen „Paul Kruger“ etwas anfangen könnten, wenn es den Krügerrand nicht gäbe? Oder mit dem Ahornblatt aus Kanada auf den Maple-Leaf-Münzen? Insbesondere afrikanische und asiatische Länder werden durch ihre Anlageprägungen auf die numismatische Landkarte gehoben. Es würde Deutschland gut zu Gesicht stehen, in der Welt der Edelmetalle ebenfalls sichtbar zu werden.
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