Unterscheidet sich eine amerikanische von einer deutschen Münzenmesse?
Die USA gelten neben Deutschland als wichtigster numismatischer Absatzmarkt. Doch welche Unterschiede erlebt ein deutscher Münzenfreund im direkten Vergleich zwischen einer Messe in Stuttgart, Hannover oder München und dem US-amerikanischen Pendant? Nachdem es im Oktober zur britischen „Coinex“ ging, hat sich unser Autor nun auf der Herbstmesse der „Michigan State Numismatic Society“ in Warren im US-Bundesstaat Michigan umgesehen.
Der alte Herr lächelt sanft und mustert meinen Personalausweis ungläubig: „Aus welchem Bundesstaat kommen Sie denn?“, fragt er mich auf Englisch. „Das ist mein Freund Sebastian. Er ist extra aus Deutschland gekommen, um sich diese Messe anzusehen“, sagt mein Münzen-Kumpel Jeff. Der alte Herr grinst: „Oh, Deutschland, so eine lange Reise. Herzlich willkommen, Sebastian“, entgegnet er, steht auf und schüttelt meine Hand. „Ich war auch einmal in Deutschland. Das war aber in den Fünfzigerjahren, ich war dort als Soldat stationiert“, sagt der Mann, der eine Schirmmütze einer Veteranenvereinigung trägt. „Seitdem hat sich in Deutschland bestimmt viel verändert“, murmelt er grinsend, drückt mir ein Klebeschild mit meinem Namen in die Hand und winkt zum Abschied.
Eintritt frei, Händedruck vom Veteran – Warmherzige Begrüßung „made in USA“
Eine so warmherzige Begrüßung ist ungewohnt für mich als Münzenfreund aus Deutschland auf numismatischer Entdeckungsreise in den Vereinigten Staaten von Amerika. Denn die kulturellen Unterschiede zwischen einer Münzenbörse hierzulande sowie auf der anderen Seite des „großen Teichs“ beginnen bereits vor der Eingangstür: Während man auf den größeren regionalen Messen in Dortmund, Stuttgart, München oder Berlin ein Eintrittsgeld entrichten muss, ist der Einlass bei der jährlichen Herbstmesse der „Michigan State Numismatic Society“ frei – dafür werden jedoch die Personalien am Eingang aufgenommen, während jeder Gast von einem Vertreter der Numismatischen Gemeinschaft persönlich willkommen geheißen wird. Auch das Namensschild gehört zur festen Ausstattung einer jeden US-Messe – während man in Deutschland anonym durch die Gänge flanieren kann, muss man sich in den USA jederzeit darauf einstellen, von einem Gleichgesinnten persönlich angesprochen zu werden.
Natürlich ist die Gestaltung des Einlasses durchaus Geschmackssache – doch ich fühle mich sofort willkommen in dieser ungewohnten Umgebung. Die Messe findet in einer riesigen Sporthalle eines „Community College“ statt, im Hintergrund ist eine überdimensionale US-Flagge aufgehängt und die schuleigene Polizei patrouilliert mit vier Streifenpolizisten von morgens bis abends durch die Gänge.
Dimes, Nickels, Quarters – Jahrgangssammler haben die Börse fest in der Hand
Die Angebotspalette auf der US-amerikanischen Münzenmesse ist keine große Überraschung: Etwa 90 Prozent der Ware stammten aus der US-Münzgeschichte. Überraschend für deutsche Besucher war dagegen, dass sehr viele Kleinmünzen verkauft wurden. Dimes, Nickels, Quarters – sie alle waren tischweise aufgebaut und ausgebreitet. Hunderte Münzen lagen nebeneinander in kleinen Münzrähmchen und die Sammler stöberten stundenlang nach Jahrgängen und Münzzeichen. Einen solchen Anblick würde man wohl in Deutschland nicht mehr erleben, denn es gibt kaum Sammler für die verschiedenen Jahrgänge und Münzzeichen der früheren Mark- und Pfennig-Münzen. In den USA hingegen ist dieses Sammelgebiet durch die deutlich längere Geschichte des US-Dollar als Währung weiterhin lebendig, sodass die US-Numismatiker leidenschaftlich gern Jahrgänge und unterschiedliche Münzzeichen sammeln.
Münzenmesse in den USA: Nicht nur kaufen, sondern auch lernen
Der vermutlich größte Unterschied zu einer deutschen Münzenbörse besteht in dem Bildungsaspekt einer solchen Veranstaltung. In der Sporthalle in Wayne im US-Bundesstaat Michigan gab es eine kleine Ausstellung im hinteren Bereich, wo einzelne Sammler ihre Themen präsentieren durften. In kleinen Boxen hatten sie ihre Münzen mit Informationstexten drapiert. In diesem eigens für diese Galerie bereitgestellten Bereich ging es nicht ums Verkaufen, sondern ums Lernen und neue Aspekte der Numismatik. Und neben der Ausstellung, bei der die teilnehmenden Sammler auch Preise gewinnen konnten, fand an allen drei Messetagen ein breit gefächertes Seminarprogramm statt. Wie kann ich Fälschungen erkennen? Wie kann ich eine Sammlung aufbauen? Worauf muss ich beim Grading achten? Diese und andere Themen wurden in kurzweiligen Vorträgen in einem separaten Saal aufbereitet – und auch hier war der Eintritt natürlich frei. Durch diese Bildungsangebote war es problemlos möglich, zwei ganze Tage auf der Messe zu verbringen und kein bisschen Langeweile zu verspüren.
Der Nachwuchs steht bei US-Messe an erster Stelle
Sehr positiv in Erinnerung blieb mir neben den Ausstellungen und Vorträgen auch der Umgang der Messeveranstalter mit jungen Sammlern. Direkt am Eingang war einer der besten Messeplätze für die „Young Numismatists“, also den numismatischen Sammlernachwuchs. Jung und Alt hatten an ihrem Stand diverse kleine Angebote vorbereitet: Beispielsweise gab es kostenlose Literatur und andere kleine Geschenke – ebenso wie an vielen Ständen auf der Messe, wo Händler kleine Kisten mit Weltmünzen für Nachwuchs-Sammler bereit gelegt haben und sich jeder junge Besucher sechs Münzen kostenlos aussuchen konnte. Fazit: Hier wird der Nachwuchs sehr aktiv umsorgt und unterstützt.
Jung und Alt: Münzenbörse als Ausflugsziel für die ganze Familie
Und diese Unterstützung lässt sich definitiv an der Bandbreite der Besucher ablesen: Das Altersspektrum war nach meiner Einschätzung deutlich breiter. Natürlich dominierten auch auf der US-Messe die älteren und erfahrenen Sammler das Bild, doch es waren auch auffällig viele junge Leute da. Ich habe diverse kleine Gruppen von jungen Männern gesehen oder ganze Familien, bei denen ich häufig beobachten konnte, wie der Vater an einem Stand ein paar Münzen kauft und die Kinder ihm helfen und sich auch ein paar Münzen aussuchen durften. Hier hatte ich den Eindruck, dass das Münzensammeln wirklich ein Hobby für die ganze Familie ist.
Ideen für deutsche Numismatik-Veranstaltungen
Bei dem wohl wichtigsten Aspekt einer Münzenmesse gab es jedoch keinerlei Unterschiede festzustellen: Sowohl in Deutschland als auch in den USA sind die Messebesucher sehr enthusiastisch, was ihr Hobby anbetrifft. Sie zeigen gerne die Dinge, die sie gefunden haben und jagen mit großer Freude neue Schätze für ihre Sammlungen. Und sie freuen sich offenbar über Besuch von Münzfreunden aus dem Ausland – dumme Sprüche, wie man sie sonst gelegentlich als Deutscher in den USA vernimmt, gab es während meines Wochenendes in Wayne (Michigan) nicht. So freue ich mich schon jetzt auf meine nächste numismatische Entdeckungsreise und hoffe, dass sich die Deutschen im Hinblick auf die Gestaltung einer Münzenmesse wenigstens ein bisschen von ihren US-amerikanischen Freunden abgucken.
US-Münzen bei MDMFotos: Sebastian Wieschowski
Tags: Michigan State Numismatic Society Münzenmesse Münzensammeln USA