Spektakulärer Münzraub in Berlin offenbart Sicherheitsmängel
In der Nacht zum 27. März 2017 wurde die die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen – ein Münzraub, der weltweit Schlagzeilen machte. Seit Donnerstag läuft der Prozess gegen die mutmaßlichen Diebe. Von der Beute – der damalige Goldwert betrug circa 3,75 Millionen Euro – fehlt bis heute jede Spur.
Gemeinschaftlicher Diebstahl in besonders schwerem Fall – so lautet die Anklage gegen die drei mutmaßlichen Diebe und ihren Komplizen (20-24 Jahre). Als die Polizei in besagter Märznacht zum Tatort Weltkulturerbe Museumsinsel gerufen wird, hat sie dem Stichwort „Münzraub“ nach sicher etwas anderes erwartet.
Spektakulärer Münzraub mit Insider-Infos
Während der diensthabende Wachmann auf einem Rundgang war, sollen die Brüder Ahmed und Wayci R. gemeinsam mit ihrem Cousin Wissam R. über die Gleise des nahegelegenen S-Bahnhofs Hackescher Markt durch ein Fenster im zweiten Stock ins Museum gelangt sein. Von dort ging es durch Flure und Ausstellungsräume bis ins Münzkabinett, wo die überdimensionale Goldmünze als private Leihgabe seit 2010 ausgestellt war. Danach sollen die Tatverdächtigen die Panzerglas-Vitrine zertrümmert und ihre zentnerschwere Beute mittels Rollbrett, Seil und Schubkarre zum Fluchtfahrzeug gehievt haben, das in einem benachbarten Park gewartet haben soll. Eine zusätzliche Elektroniksicherung besaß die Goldmünze nicht. Die notwendigen Informationen für diesen unglaublich erscheinenden Coup soll der vierte Angeklagte, beispielsweise mit Selfies vom zukünftigen Tatort, geliefert haben: Denis W. arbeitete damals über eine externe Sicherheitsfirma als Wachmann im Bode-Museum.
Verteidigung beruft sich auf fehlende Beweise
Zum Prozessauftakt vor einer Jugendkammer des Berliner Landgerichts hüllten sich die allesamt polizeibekannten Angeklagten, abgesehen von ihren Personalien, unter großem Zuschauer- und Presseandrang in Schweigen. Die Verteidigung sehe ohnehin keine durchgreifenden Beweise und unterstellt der Staatsanwaltschaft, aus Indizien einen Tathergang rund um die Angeklagten zu konstruieren. Stattdessen sehe man seitens der Verteidigung ein verdächtiges Verhalten eher beim Wachmann, der in der Tatnacht Dienst hatte: Er sei eine vorschriftswidrige Wachroute gegangen und will zudem nichts gehört haben, als die Vitrine der Goldmünze zerschlagen wurde. Auch die Frage nach anderen Tätern, die möglicherweise in einem Versteck ausgeharrt haben könnten, wurde aufgeworfen.
Goldspuren und Luxusanschaffungen
Kurze Zeit nach der Tat rückte Denis W. wegen teurer Anschaffungen und Investitionen ins Visier der Fahnder. Über ihn sei die Polizei letztlich auch auf die Familie R. gekommen. In ihren Ermittlungen stießen Polizei und Staatsanwaltschaft unter anderem auf Goldspuren an Kleidungsstücken und in einem Auto der R.s. Gleichzeitig sollen sie im Internet zum Goldpreis recherchiert haben. Die Großfamilie R. steht immer wieder unter dem Verdacht der organisierten Clan-Kriminalität und soll bereits mehrere große Straftaten auf ihrem Konto haben.
Überwachungsvideos zeigen mutmaßliche Münzdiebe
Auf den Überwachungsvideos des S-Bahnhofs Hackescher Markt sind die mutmaßlichen Münzdiebe nicht eindeutig zu identifizieren – dort sieht man lediglich vermummte, schwarze Gestalten über die Gleise laufen. In Untersuchungshaft befinden sich die Angeklagten derweil nicht. Neben der Täterfrage wirft auch der eigentliche Diebstahl Fragen auf: Kann man einfach so in ein staatliches Museum einsteigen und sich eine 100 Kilo schwere Goldmünze schnappen?
2. Prozesstag: Sicherheitslücken im Museum
Am heutigen zweiten Prozesstag war Lothar G. als Zeuge geladen. Der 64-Jährige ist bei den Staatlichen Museen zu Berlin, zu denen auch das Bode-Museum gehört, leitender Mitarbeiter im Referat Sicherheit. Bewegungsmelder, Riegel- und Magnetkontakte an Türen und Fenstern sowie eine Rund-um-Uhr-Sicherheitszentrale würden das Objekt absichern. Dabei habe nur ein Fenster seit 2014 immer wieder Scherereien bei der Öffnungsüberwachung gemacht, sodass die Sicherung zeitweise deaktiviert gewesen sei – jenes Fenster zum Mitarbeiter-Umkleideraum, durch das die Täter 2017 ins Museum gelangten. Die äußere Sicherheitsscheibe am Fenster sei laut Sicherheits-Chef nur zur Steinschlagabschirmung seitens S-Bahn gedacht. Ein Alarm wurde während der Tat nicht ausgelöst, Überwachungskameras seien nur außen am Museum angebracht. Aber auch hier waren die Diebe vorbereitet – seit der Instandsetzung des Pergamon-Museums wird der betroffene Außenbereich von keiner Überwachungskamera erfasst. Dem Sicherheits- und Wachpersonal seien diese Sachverhalte bekannt gewesen.
Goldmünze bleibt verschollen
Vom besagten Big Maple Leaf fehlt bis heute – fast zwei Jahre nach dem Diebstahl – jede Spur. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Münze sich längst in (Gold-)Staub aufgelöst hat. Man vermutet, dass sie zersägt bzw. eingeschmolzen und in Einzelteilen zum Materialwert veräußert wurde. Ein anonymer Verkauf dürfte sich, auch für professionelle Hehler, bei der enormen medialen Aufmerksamkeit und Seltenheit der Goldmünze jedenfalls äußerst schwierig gestalten. Und 100 Kilogramm Gold versteckt man auch nicht problemlos zwischen alten Kaffeetassen im Schrank.
Rekordmünze aus Kanada
Das Diebesgut ist Teil einer Spezialauflage von nur fünf Exemplaren, die die Royal Canadian Mint 2007 prägen ließ. Seinerzeit war das überdimensionale Ahornblatt mit dem Bildnis von Queen Elizabeth II. dank seiner stattlichen Maße – 53 Zentimeter Durchmesser, drei Zentimeter Dicke und 100 Kilogramm Gewicht – sogar die größte Münze der Welt. Inzwischen ist dieser Rekord nach Australien weitergezogen.
Am Donnerstag geht der Prozess in die nächste Runde. Das Urteil wird am 28. März erwartet.
Gold Maple Leaf bei MDM
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