Was bestimmt den Goldpreis?
Im Spätsommer haben Edelmetall-Anleger in ganz Deutschland und wohl auch im Rest der Welt immer wieder fassungslos vor ihren Bildschirmen gesessen und ungläubig die Kursgrafik von Gold, Silber, Platin und Palladium betrachtet. Denn alle Edelmetalle kannten scheinbar nur eine Richtung: abwärts. Während der Goldkurs sich in den letzten Tagen wieder erholt, hatte Gold in der Spitze knapp 200 US-Dollar verloren und ist damit haarschaft an einem Bärenmarkt vorbei geschrammt. Langfristig sieht das ganz anders aus. Gold punktet im Gegensatz zu kurzfristiger Rendite stets als längerfristiger Besitz in einem diversifiziertes Anlageportfolio, im Vergleich zu klassischen Währungskursen schwankt der Goldpreis nur wenig. Angesichts bestehender welt- und geopolitischer Krisen bleibt, da sind sich Experten in den Finanzmärkten einig, Gold als Sachkapital weiter ein sicherer Hafen. Im Herbst stabilisiert sich der Goldkurs, viele Anleger umtreibt dennoch die Frage: Warum?
Anlagenotstand in Deutschland
Die fundamentalen Rahmenbedingungen sprechen ganz klar für Gold: In der Politik ist in den vergangenen Jahren fast immer das eingetroffen, was niemand erwartet hat: Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, der Brexit, das Erstarken rechter Kräfte – die Welt ist unberechenbarer geworden. Und Unsicherheit ist eigentlich Gift für die Märkte und damit gut für einen sicheren Hafen wie Gold. Zudem leiden Sparer hierzulande an einem so genannten „Anlagenotstand“: Es gibt kaum noch ernsthafte Alternativen zur Geldanlage für Privatpersonen und die herkömmlichen Sparprodukte wie das Sparbuch oder Tagesgeldkonten sorgen für eine schleichende Entwertung des Vermögens. Nullzinsen und eine hohe Inflation sind in Kombination verheerend für alle, die Geld auf dem Konto geparkt haben.
Gegen das Prinzip
Die anhaltenden Schwankungen und überraschenden Preisentwicklungen müssen also andere Gründe haben. Und tatsächlich gibt es viele Aspekte, die die Edelmetallpreise beeinflussen. Zu allererst: Der Preis für Gold und Silber wird nicht dort gemacht, wo auch tatsächlich Münzen und Barren verkauft werden. So waren in den vergangenen Jahren immer wieder, wenn der Goldpreis unter Druck stand, physische Edelmetalle bei Händlern ausverkauft – dies passt eigentlich nicht zum Prinzip von Angebot und Nachfrage.
Manipulation am Papiergoldmarkt?
Doch in Wirklichkeit bestimmen die Transaktionen an der New York Commodities Exchange, kurz COMEX, die Preise für Edelmetalle. Und hier wird mit „Papiergold“ gehandelt, also mit Kontrakten auf eine Lieferung von Gold in der Zukunft. Ausgeliefert wird allerdings in den wenigsten Fällen auch wirklich Gold. Stattdessen funktionieren die Transaktionen wie Wetten auf steigende oder fallende Goldpreise. Dieses System hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass inzwischen viel mehr Gold in New York gehandelt wird, als tatsächlich auf der Welt verfügbar ist. Und die COMEX steht anhaltend unter Manipulationsverdacht.
US-Dollar als Einflussfaktor
Im Jahr 2018 gab es vor allem einen wichtigen Einflussfaktor auf den Goldpreis: Die Entwicklung des US-Dollars. Da Gold an den Weltmärkten in US-Dollar gehandelt wird, ist diese Notierung mit Abstand am wichtigsten für die weitere Entwicklung der Goldpreise. Und weil der Euro gegenüber dem US-Dollar zuletzt deutlich abgewertet hat – der US-Dollar also stärker geworden ist – wurde auch der Goldpreis in US-Dollar in Mitleidenschaft gezogen. Weitaus weniger dramatisch ist die Entwicklung bei Gold in Euro ausgefallen: Anleger hierzulande haben nicht so starke Wertverluste hinnehmen müssen, wie ihre Leidensgenossen in den USA oder in anderen Dollar-Währungsräumen.
Schäden durch Handelskrieg
Allerdings wirken viele der Gründe, die derzeit für einen Verfall des Goldpreises genannt werden, wenig überzeugend: So ist beispielsweise zu hören, dass Anleger den US-Dollar als neue, sichere Gefilde entdeckt haben, weil die US-Notenbank (Federal Reserve System, kurz FED) zuletzt die Leitzinsen kräftig erhöht hat. Das ist korrekt – Gold zahlt keine Zinsen oder Dividenden aus. Doch viele Marktbeobachter befürchten, dass die US-Wirtschaft durch den Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt massiv Schaden nehmen wird. Die US-Notenbank müsste dann aus ihrer geldpolitischen Straffung wieder aussteigen.
Wichtige Wertversicherung
Auch wenn derzeit noch das Papiergold den Preis für physisches Gold diktiert, kommen die Spekulanten jedoch nicht um Münzen und Barren herum, denn Gold weist eine Wertversicherung auf: Der Preis für eine Feinunze Gold wird nie dauerhaft unter deren Förderkosten fallen. Und viele Minenbetreiber arbeiten bei dem Preisniveau von unter 1200 US-Dollar im August 2018 bereits unterhalb der Rentabilitätsgrenze. Denn die Förderung von Gold gestaltet sich zunehmend schwierig, das Metall ist endlich und die Erschließung neuer Quellen immer seltener von Erfolg gekrönt.
Erholung zum Jahresende wahrscheinlich
Zu Herbstbeginn, die letzten Kursbewegungen aufwärts bestätigen das, mehren sich jedoch wieder die Stimmen, die eine baldige Erholung der Edelmetallpreise vermuten. Denn der Herbst ist traditionell eine starke Zeit für Gold. Zudem hat sich der Goldpreis nach der Hausse-Phase, also dem anhaltenden Aufwärtstrend, zwischen 2008 und 2012 sowie einer mehrjährigen Abwärtsphase bis 2015, zuletzt stabilisiert und ist in einen neuen Aufwärtstrend übergegangen. Bis zum historischen Hoch bei knapp 1.900 US-Dollar ist es noch ein weiter Weg, doch Goldnotierungen um 300 Euro wie zuletzt im Jahr 2005 liegen ebenfalls in weiter Ferne. Und die meisten Analysten sind sich einig, dass Gold auf dem Weg in Richtung 1.300 US-Dollar und darüber hinaus ist.
Fotos/Grafik: Sebastian Wieschowski
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