Coinex-Münzenbörse in London
Ein Buchhändler zählt zu den beliebtesten Ständen auf einer Münzenbörse? Eine staatliche Münzprägestätte handelt mit Jahrhunderte alten Münzen? Ein Münzensatz in der feinsten Prägequalität „Polierte Platte“ aus dem Jahr 1888? Die Münzenbörse „Coinex“ ist für numismatisch interessierte Zeitgenossen mehr als nur ein Vorwand, um die Familie für ein verlängertes Wochenende in London zu begeistern. Sie hält für Münzensammler aus Deutschland viele Überraschungen bereit. Eine Bildergalerie findet sich am Ende des Beitrags.
Das Staunen begann in diesem Jahr bereits vor der eigentlichen Messe. Im Herzen von London hat der Händlerverband „British Numismatic Trade Association“ die 40. Auflage der traditionsreichen Messe am 28. und 29. September 2019 in der so genannten „County Hall“ ausgerichtet. Das Gebäude wurde einst als Rathaus für die Großregion London genutzt und wurde 1922 von König George V. eingeweiht. Draußen wurde der Glanz des britischen Empire wieder lebendig, drinnen überwog britische Gediegenheit: Schummriges Licht, holzvertäfelte Wände und dunkle Teppiche, soweit das Auge reicht. Auch in touristischer Hinsicht war die Location ein Volltreffer: Ihre Münzen konnten die Besucher der Messe mit Blick auf die Themse kaufen und nach dem Messebesuch in wenigen Minuten das Riesenrad „London Eye“ besteigen.
Briten lieben numismatische Schätze aus der eigenen Geschichte
Auf den ersten Blick gibt es kaum Unterschiede zwischen der Coinex und einer deutschen Sammlerbörse wie beispielsweise der Numismata oder den Messen in Dortmund, Hannover oder Stuttgart. Die typisch britischen Sammlerstücke bildeten den Schwerpunkt der Angebote. Also beispielsweise Gründonnerstagssätze aus vergangenen Jahrhunderten, Prägungen aus der Epoche vor der Dezimalisierung des britischen Pfunds aus allen erdenklichen Jahrgängen und in jeglichen Erhaltungsstufen. Deutsche Münzen sucht man auf der Coinex vergebens, nur einzelne Exemplare sind in Weltmünzenalben zu finden.
Wertvoller Schinken: Begehrte Münzenbücher für ein paar hundert Euro
Die Londoner Münzenbörse ist stattdessen vor allem wegen der vielen Originale der britischen Numismatik einen Besuch wert: Der Buchhändler Douglas Saville hatte eigens für die Messe eine Auswahl seiner historischen Münzliteratur aufgebaut. Die Händlerorganisation hat ihm dafür extra ein paar Bücherregale bereitgestellt. Im schummrigen Licht wirkte sein Stand wie eine kleine Bücherstube. Während des Messetages entwickelte sich das Messe-Antiquariat zu einem beliebten Treffpunkt und große Geldscheine wechselten gegen Jahrhunderte alte Münzliteratur den Besitzer.
Staatliche Prägestätte als Münzenhändler
Kurios wirkte aus deutscher Sicht auch der Stand der britischen „Royal Mint“: Die offizielle Münzprägestätte des Vereinigten Königreiches war mit einem Stand ihrer numismatischen Fachabteilung vertreten. Allerdings nicht, um die Gedenkmünzen des Jahres 2018 anzubieten, sondern Raritäten aus vergangenen Jahrhunderten zu Preisen im gehobenen vierstelligen Bereich. Der Staat als Münzenhändler – was in Deutschland undenkbar scheint, ist in Großbritannien inzwischen völlig normal: Eine Abteilung der Royal Mint ist ausschließlich mit dem An- und Verkauf historischer Münzen sowie der Echtheitsprüfung von eingereichten Sammlerstücken beschäftigt. In Großbritannien steht die Royal Mint somit im direkten Wettbewerb mit kommerziellen Grading-Anbietern.
Grading steckt in den Kinderschuhen: Briten mögen ihre Münzen „roh“
In Bezug auf das Grading, also die kommerzielle Einstufung von Münzen, sind die Sammler in Großbritannien und Deutschland übrigens erstaunlich nah beieinander. Sowohl hierzulande als auch auf der Insel gewinnt diese Form der Zertifizierung von Münzen an Bedeutung. Die Mehrzahl der Sammler macht um die Plastik-Slabs jedoch noch einen großen Bogen: Etwa 10 bis 20 Prozent der feilgebotenen Ware befanden sich in Slabs, die überwältigende Mehrheit der Münzen wird „raw“ angeboten, also „roh“ – und dieser Ausdruck ist nicht negativ besetzt, sondern verdeutlicht die besondere Wertschätzung der Briten gegenüber einer historischen Rarität, die sie aus nächster Nähe betrachten oder befühlen können.
Handel mit Europa auf Standby: Brexit verunsichert Händler
Während das Grading in Großbritannien noch in den Kinderschuhen steckt, bewegte ein ganz besonderes Thema wohl fast alle Händler: Der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, sorgt auch auf dem Börsenparkett für eine große Unsicherheit. Viele Händler halten sich bezüglich neuer vertraglicher Verpflichtungen mit deutschen Handelspartnern vor dem 29. März 2019 zurück, weil sie einen Absturz des britischen Pfunds infolge eines ungeregelten Brexit und damit massive Verluste für ihr Geschäft befürchten. Sorge, dass sie von ihren britischen Sammlerkollegen schief angeschaut werden, müssen deutsche Messebesucher jedoch nicht haben – die Händler treten durchweg warmherzig und mit britischer Höflichkeit auf, manche schämen sich regelrecht für den EU-Austritt und wollen das Vertrauen ihrer Handelspartner trotz der Unsicherheit bewahren.
Innovative „Coin Hunt“-Serie: Von Münzenjagd nichts zu sehen
Für Verwunderung sorgte bei so manchem Besucher der Coinex der Umstand, dass die wohl innovativste Münzenserie aus Großbritannien auf der Messe weit und breit nirgendwo zu bekommen war: Die „Great British Coin Hunt“-Serie besteht aus 26 Münzen zu 10 Pence und zeigt jeweils einen Buchstaben des Alphabets sowie ein typisch britisches Motiv. Doch der Plan der Royal Mint, die Briten mit dieser Serie spielerisch an das Münzensammeln heranzuführen, geht bislang nicht auf. Denn im Umlauf sind die liebevoll gestalteten Münzen bisher nicht zu finden. Nur an ausgewählten Orten wurden einzelne Buchstaben in Umlauf gebracht. Doch selbst auf der Coinex-Messe gab es keine Möglichkeit, das britische Münzen-Alphabet zu vervollständigen – schade, das war eine vergebene Gelegenheit.
Fotos/Grafik: Sebastian Wieschowski
Tags: Coinex Great British Coin Hunt Münzenmesse Münzensammeln Royal Mint